Linzer Stadtzeitung

Linzer Stadtzeitung, Juli 2000

Künstlerportrait: Mag.art. Helga Schager

Kurzbiografie:
Helga Schager, geboren 1955, verheiratet, 2 Kinder, Kunststudium, Meisterklasse „Textiles Gestalten“, Wohnort Linz, Textil / Computergrafik / Arbeiten auf Papier sind derzeit meine künstlerischen Ausdruckformen.
Seit 1981 Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen.

Welchen persönlichen Anspruch habe ich an die Kunst?

Diese Frage ist nicht einfach mit wenigen Sätzen zu beantworten. Mein „Können“ in der Kunst ist nicht radikal und visionär, sondern schlicht in der Wahrnehmungsebene des Alltäglichen, des Sinnlichen und des Aufzeigenden zu finden. Gelebtes, Erlebtes, Erfahrenes in Auseinandersetzung, Hinterfragung, Positionierung zu bringen ist mein Anliegen. Lange waren meine Inhalte in der Kunst vom „Leid“ geprägt, dort wo scheinbar die stärkste Kraft liegt. Sobald das Thema Kunst zur Sprache kam, litt ich an Humorlosigkeit, obwohl Humor ein wichtiger Bestandteil meiner Lebensqualität ist. Ich erlebte sozusagen „Kunst als Leidensweg“, Leid als stärkste Quelle der Inspiration. Heute ist das Leid kein „Hauptdarsteller“ mehr in meinen Abbildungen, sondern nur mehr ein Figur unter vielen.


SEHNSUCHT, Gobelin, 116 x 212 cm, 1997

Die „Abhängigkeit“ zur Kunst

Im ständigen gesellschaftlichen Funktionieren, im Sinne von „etwas läuft gut“, der Motor ist in Ordnung, ist die Kunst ein Ventil zum Ausbruch. Hier liegen meine Möglichkeiten den Motor auch in andere Richtungen laufen zu lassen. Individualität pur ist gefragt und kann gelebt werden. Gesellschaftliche Normen aufbrechen und diese Freiheit „bildnerisch“ umsetzen zu können, hat „Abhängigkeit“ zur Folge. Ist der Kreativitätsprozess im Fluss, ein Bild gelingt, habe ich ein wunderbares Lebensgefühl, ist dieser Prozess jedoch unterbrochen, nichts gelingt, führt dies zu Überlaunigkeit. Dies ist ein ständiger Kampf mit der „Droge“ Kunst. So ist auch ein scheinbares „nicht Gelingen“ als nächster Schritt, als Weg zum Ziel anzusehen, dies ist meine Lektion an der ich lerne.

Kennzeichen meiner Arbeit ist:

Der grafische Ausdruckstil, Konturen als klare Trennung der Formen, ist Merkmal meiner Arbeiten, ob in Figuren, Symbolen, Zeichen oder Schriftzeichen. Keine farblichen Verschmelzungen, kein Ineinanderfließen, ist mein Thema, sondern Kontur im Sinn von Klarheit, Anfang und Ende. Nichts Verschwimmendes reizt mein Auge, sondern markant, manchmal fast brutal sind meine Formentrennungen, weich und sinnlich das Material beim Weben. Mein Lieblingsfach war Mathematik. Der Reiz in diesem Fach lag sicher daran, dass es möglich ist eine allgemeingültige Endlösung zu erarbeiten. Mit dem Wissen um Formeln, Gleichungen und Rechenschemen konnte ein konkretes Ergebnis gefunden werden und subjektive Beurteilung bis zu einem gewissen Grad ausgeschlossen werden. Konkrete Lösungen zu finden, ist vermutlich auch im „Wirrwar des Lebensflusses“ meine Sehnsucht und in der Kunst könnte die markante Kontur eine Formel sein, eine Lebensformel, aus der ich eine Lösung herauspressen, Klarheit erzwingen will. Diese klaren Abgrenzungen von Formen sind ein Ausdruck von Konsequenzen nicht zu scheuen und mich frei zu machen vom Unkonstruktiven, Beschönigenden, Verschwimmenden.


UNTRAGBAR, gewebter Comic, 38 x 46 cm, 1999

Meine Arbeitsweise

Ist gekennzeichnet von kontinuierlicher, alltäglicher Arbeit. Ein „step by step“, mit dem Beständigen, dem Traditionellen im Rucksack, ein Aufbruch zu neuen Visualisierungen. In vielen meiner Arbeiten konzentriert sich mein Focus auf die Menschen, auf ihr fühlen, ihr Tun und ihr Denken. Im Alltagsleben finde ich meine besten Ideen. In der Straßenbahn, mit der Morgenmüdigkeit in die vertraute, eilende Szenerie der Stadt schauen, im bekannten, täglich Wiederholenden, blitzen Ideen zu neuen Bildern auf. In Skizzenform halte ich sie gleich fest und nehme zur gegebenen Zeit die Ausarbeitung und Ausfeilung vor.

Mein Schwerpunkt:

Mein Einstieg in die Kunst erfolgte mit der „Weberei“ und blieb bis heute mein Schwerpunkt in den künstlerischen Ausdrucksformen, trotzdem ich immer wieder versuchte sie an Platz zwei abzudrängen oder überhaupt aus meinem Repertoire zu streichen und anderen Ausdrucksstilen die Priorität zu geben. Der Grund für dieses Ausbrechen wollen liegt daran, dass ich in der Webkunst nicht um die arbeitsintensive handwerkliche Tätigkeit herumkomme. Von der Idee bis zur fertigen Arbeit ist es ein langer Weg. Die Spontaneität ist dabei eingezwängt, die Experimentierfreudigkeit auf den Nullpunkt reduziert. Eine Einzelausstellung zu füllen ist ein Jahresprojekt. Das sind meine Beweggründe warum ich von Zeit zu Zeit immer wieder mit der „Weberei“ in den „Clinch“ gehe. Der Ausbruch ist vorprogrammiert, ist ersehnt und lässt mich in anderen Medien Fuß fassen. Was mich dann letztendlich doch immer wieder zur Webkunst zurückkehren lässt, sind ähnliche Gründe, wie die, die mich zuvor mit ihr hadern ließen, nämlich die Sehnsucht nach Ausruhen in der handwerklichen Tätigkeit „Weben“, geduldig Faden für Faden einlegen, eine meditative, monotone Beschäftigung. Das gibt mir Zeit für neue Ideen, Gedanken, Zeit mich neu zu orientieren, neuen Bildern Raum zu schaffen.


GRENZE, Bleichtechnik, 24 x 33 cm, 1998

Meine Zyklen:

In meiner künstlerischen Arbeit sind Zyklen entstanden. Meine Leidenschaft liegt bei meinen figuralen Gobelins. Mein letztes Projekt (in Fortsetzung) zum Thema „Beziehungsschnappschüsse“, sind kleinformatige, gewebte Comics, Momentaufnahmen von Beziehungssituationen zu einem Standbild gebracht. In diesen Teppichen werden paarbezogene Beziehungsmuster ironisch dargestellt, manchmal liebevoll und manchmal auch boshaft (Juni/Juli ´99 in der Galerie im Stifterhaus zu sehen). Inzwischen gibt es an die 40 Stück von dieser Serie. Diese „Mensch-konzentrierten-Teppiche“ geben und rauben mir Kraft und Energie, machen mich verwundbar, da ich in diesen Bildern ein Teil bin. Ich bedarf kann immer wieder einer Entspannungspause, in der ich dann in eine andere Phase der bildnerischen Umsetzung gehe. Mein Wunsch nach mehr Distanz, nach Unangreifbarkeit, lässt mich in die Symbol- und Zeichensprache flüchten und darin ausruhen. Diese Arbeiten sind auf zeitgemäße Bildsprache aufgebaut, Beispiele dafür sind in Bildteppichen und Computergrafiken zu finden.
Es gibt aber auch noch einen dritten wichtigen Bereich, der befriedigt werden will, dies sind meine Collagen in Mischtechnik. Hier kann ich meine Experimentierfreudigkeit und Spontaneität ausleben. Hierbei wird mein Materialfetischismus befriedigt. Bei dieser Technik ist großzügiges Arbeiten am direkten Produkt möglich, ständige Auseinandersetzung mit dem Bild, den Materialien und der Technik sind unabdingbar. Ausdrucksstarke Wörter wie z.B. Ehrgeiz, Zensur, Hure, etc. und Zeichen werden inhaltliche und formale Hauptdarsteller in diesen Arbeiten auf Papier.
Jedem emotionalen Zustand sein Medium. Was will ich befriedigen? Nähe-Distanz, Sauberkeit-Beschmutzung, Entspannung-Spannung …… Die Webkunst, die kaum Spontaneität zulässt, die Computergrafiken, die sauber, geruchlos und platzsparend entstehen oder die Mischtechniken (Collagen) auf Papier, bei denen ich kleben, schütten, malen, fühlen, riechen, mich austoben kann!

Michaela Gruber im Gespräch mit Helga Schager