Komplizen

„KOMPLIZEN“ Galerie im Stifterhaus, Linz


Stifterhaus Linz
OÖN vom 30.06.1999 – Seite 007

STIFTERGALERIE: Herbert und Helga Schager
Ein „Paar“-Geschichten

Linz, Anfang der 80er Jahre: ein höchst attraktiver Mann, groß, sehnig, dichte schwarze Mähne, markantes Gesicht, ähnlich Alain Delon. Der Künstler Herbert „Maikl“ Schager.
Was so ein Einstieg mit einer Kunstkritik zu tun hat? Nun – im Falle Herbert Schagers anscheinend einiges. Denn daß ihn die zeitbedingte Veränderung seiner „Oberfläche“ intensiv beschäftigt, zeigen auch seine neuen Computer/Fotoarbeiten „Heads“. Bis 23. Juli in der Stiftergalerie Linz zu sehen, im Rahmen der gemeinsam mit seiner Frau, der Künstlerin Helga Schager, durchgeführten Ausstellung „Komplizen“.
Die Zeichnung eines Gesichts durch intensivst gelebte Jahre. In den Selbstporträts bildnerisch noch überhöht durch Computerbearbeitung. Farbflecken, Raster, Muster, Verzerrungen. Als hätte er sein Inneres der Haut übergestülpt: Das lodert, das schwimmt psychedelisch in Räuschen des Lebens, wird zerfressen von rasender Zeit. Diesem oft sehr destruktiven Gestus steht in den Porträts von Frau und Kindern eine anrührende Zärtlichkeit gegenüber.
Gegenüber stehen Schagers Werken zudem die pointierten Arbeiten seiner Frau Helga. Was sich bereits in einer Linzer Ausstellung abzeichnete, wird hier Vollendung: Eine konsequente Weiterentwicklung innerhalb ihrer Bildsprache. Jetzt zeigt Helga Schager gewebte Cartoons, deren Basis Computerzeichnungen bilden. „Bezie-hungsschnappschüsse“, geprägt vom ewigen Match „Mann : Frau“ in der Arena Alltag. Abgesehen von manch überbewerteter Rahmung: Witzige, prächtig bösartige Textilsatiren in präzise austarierter Bildspannung. Was den Wert der Arbeiten zusätzlich festigt, ist die Exaktheit in der Technik.
Schager im Doppelpack: Ein „Paar“-Geschichten mit Kraft, immenser Doppelbödigkeit und hoher Bild-Qualität. VON IRENE JUDMAYER


Helga_Schager_Leckerbissen
Herbert Schager – „23/02/98a“, Computergrafik Helga Schager – „LECKERBISSEN“, 26 x 41 cm, 1998

NEUE KRONEN ZEITUNG vom 12-07-1999

StifterHaus: Helga und Herbert SchagerBeziehungs-Ironie

Helga und Herbert Schagers Atelier befindet sich im virtuellen Raum. Beide arbeiten mit dem Computer, die Ergebnisse sind trotzdem angenehm unterschiedlich. Hier gewebte Computerbilder, da malerische Kopfstudien – bis 23. Juli in der Galerie im Linzer StifterHaus ausgestellt.
Es sind ironische Kommentare zur Zeit. Helga Schager zeigt Beziehungsschnappschüsse“, gewebte Cartoons, die auf sehr witzige und reizvolle Art und Weise Szenen einer Paarbeziehung aufarbeiten. Helga Schager hat diese Art der Bildherstellung zu ihrem eigenständigen Ausdrucksmittel erkoren; da die Bilder dem Computer entspringen, weisen sie besonders viel Zeitgefühl auf. Dazu kommt die ornamentale Ausgestaltung der kleinen Formate.
Herbert Schagers Beitrag – „Charakterköpfe“ – bleibt näher am Medium Computer. Es gelingt ihm eindrucksvoll, das traditionelle Sujet des Kopfes, des Porträts zu aktualisieren. Dabei bekommen Energieströme, Stimmungen und der fotografische Moment ein besonderes Gewicht: eine eigenwillige Bildpoesie! VR


Helga Schager, Peter Assmann, Herbert Schager
„Beziehungsgeflechte“ – zu den neuen Arbeiten von Helga Schager von Herrn Dr. Peter Assmann

Das mit textilen Materialien geschaffene Bildobjekt ist seit vielen Jahren als das genuine künstlerische Ausdrucksmedium von Helga Schager anzusehen – allerdings mit der frappanten Besonderheit, dass die Entwürfe für ihre – im erweiterten Sinne – „Bildteppiche“ am Computer gezeichnet werden und dadurch die spezielle Gestaltungsunterschrift dieses Mediums in sich tragen.
In ihren jüngsten, speziell für diese Ausstellung geschaffenen Werkstücken gestaltet Helga Schager eine Bilderreihe mit dem Titel: „Beziehungsschnappschüsse“, die sie als gewebte Cartoons bezeichnet. Die inhaltliche Komposition dieser Werkstücke stellt „wörtlich genommene“ menschliche Beziehungssituationen vor, durchwegs zwischen Mann und Frau, die – gleichsam mit einem ironischen Zwinkern – einen direkten Übersetzungsversuch von wörtlicher Bezeichnung zu bildhafter Darstellung präsentieren. Bewusst wird hier direkt in das Alltagsleben hineingegriffen, werden Klischees angesprochen und scheinbar Offensichtliches formuliert. Die comicartige Darstellungsweise unterstreicht zunächst diesen Eindruck der quasi Selbstverständlichkeit – der sich allerdings bei genauer Betrachtung sofort auflöst zu einem ironischen Wechselspiel von vielfältigen Infragestellungen. Gerade durch den scheinbar unvermittelt direkten Übersetzungsversuch einer literarischen Bezeichnung für eine Beziehungssituation in eine Bilddarstellung wird der Betrachter auf die ganz konkrete Erfahrung dieser Beziehungssituation hingeführt, auf seine konkrete Erfahrung, seine eigene bildhafte Erinnerung solcher Beziehungssituationen.

Der comicartige Gestaltungsstil von Helga Schagers Bildteppichen scheint in lapidarer, typologisierter Form von solchen alltäglichen Beziehungssituationen zu erzählen und wirkt doch in erster Linie wie ein persönlicher Spiegel des Betrachters.
Ähnliches gilt für die fast ornamental anmutende Ausformung der bewusst sehr klein gehaltenen Werkstücke: eine inhaltliche wie gestalterische „Behübschungsfunktion“, wie sie (leider) vielfach mit dem Objekt Bildteppich gemeinhin konnotiert wird, wird hier zitiert, letztlich erweisen sich diese Werkstücke aber in beiderlei Hinsicht als „Betrachtungswiderhaken“, die behutsam und unaufdringlich, aber mit beständiger Kraft, zur persönlichen Stellungnahme des Betrachters drängen und hierin durchaus therapeutische Funktionen mit einem weit gespannten Reflexionsbild in sich tragen.

Die beiläufig anmutende bildhafte Festschreibung wird so zu einem bildhaften Beziehungsfragezeichen – ein sehr erzählerisches Fragezeichen, das nicht nur selbst berichtet, sondern vor allem weitere Erzählungen hervorholt: als anregendes Bildzeichen und vielfältig an- und aufgreifbares Objekt zugleich.

„Beziehungsgeflechte“ – „Interweaving Relationships“
On Helga Schager´s new works

The image-object created form textile materials may be regarded as Helga Schager´s medium of genuine artistic expression over a period of many years – yet there is one astonishing peculiarity about this, since the designs for her „tapestries“ – in an extended sense – are drawn on the computer and this medium´s special handwriting of design is inherent to them. In her most recent works, created especially for this exhibition, Helga Schager has designed a series of images entitled „Relationship Snapshots“, which she refers to as woven cartoons. The composition of the contents of these works depicts human relationships situations taken literally – relatioships between men and women that present – with a kind of ironic wink – an attempt to directly translate literal designations into pictorial representations. Here there is a conscious reference to everyday life, an inclusion of clichès and a formulation of what is seemingly obvious. The comic-like form of representation at first highlights the impression of something to be taken more or less for granted – but which immediately dissolves into an ironic interplay of multifarious questions at a closer look. In particular, the apparently abrupt and direct atttempt to translate an literary designation for a relationship situation inteo a pictorial representation leads the viewer to the very specific experience of this relationship situation, to the viewer´s own specific experience, one´s own pictorial memory of these kinds of relationship situations.
The comic-like style of Helga Schager´s tapestries seems to tell the story of these kinds of everyday relationship situations in a lapidary, typologized form, yet they primarily habe the effect of being a personal mirror for the viewer.
This also applies similarly to the almost ornamental form of the works, which are intentionally kept quite small: a decorative function, in terms of both content and design, which (unfortunately) frequently connotes the object tapestry, is cited here, yet these works ultimately prove to be „sight barbs“ in both respects, gently and discretely, yet with unabated force, urging the observer to personally take a stance; thoroughly therapeutic functions with a broadly drawn field of reflection are thus inherent to them.
In this way, the seemingly casual pictorial definition becomes a pictorial question mark – a narrative question mark that not only tells its own story, but also and especially elicits other narratives: simultaneously as an evocative pictorial sign and as an object that may be literally and figuratively grasped in many diffferent ways.
Mr. Peter Assmann

Fotos: Schmidinger, Schager