Ausstellung Parallel

AUSSTELLUNG „PARALLEL“
Galerie Berufsvereinigung Bildender KünstlerInnen Linz


Rainer Zendron, Helga Schager, Karl Kaineder

Linz, 21. April 1996
Eröffnungsrede von Herrn Mag. Rainer Zendron

Zuallererst möchte ich mich für die Einladung bedanken.
SIE anlässlich der Ausstellungseröffnung mit einigen Eindrücken, Ideen und Fragen zu konfrontieren, die sich für mich beim Betrachten der Arbeiten stellten.
Vielleicht können diese Gedanken Anlass für Sie sein. Ihre persönlichen Eindrücke und Empfindungen zu den Bildern untereinander, oder mit der Künstlerin auszutauschen.

Ich kenne Helga Schager jetzt seit über 10 Jahren und konnte so die Entwicklung ihrer künstlerischen Auseinandersetzung verfolgen. Thematisch kreist diese seit langem um zentrale Fragen des Lebens als Frau, als Mutter, um Geschlechterdifferenzen ….. plakativ, vereinfachend könnte man sagen, um das Endlos-Wiederkehrende, die unendliche Zirkulation des Begehrens, der Geburt und des Todes.

Ihre Arbeiten waren und sind meiner Meinung nach sehr weibliche Kunstwerke, nicht – oder nicht hauptsächlich deshalb, weil sie aufs Weben hin ausgerichtet sind. Einen Nachschein des Materials empfinde ich auch dort, wo ihre Computergrafiken erklärter Zielpunkt und keineswegs Zwischenposition auf dem Weg zur Übersetzung ins Textile sind. Wandteppiche werden als erste Assoziation oft allzu vorschnell mit sogenannten archaischen Kulturtechniken in Beziehung gesetzt: mit Kunstwerken von Frauen und solchen der Dritten Welt. Stilistisch fand man in Schagers früheren Arbeiten auch tatsächlich Anklänge von südamerikanischen Bildmotiven.

Viel eher will ich darauf hinaus, dass sich in ihrer Arbeit eine Bildsprache findet, die man als „weibliche“ bezeichnen könnte: im inneren Aufbau und Gefüge, in der Komposition der Bildteile, die sich weniger aufs Sagen-Wollen als auf das Niveau des Fühlen-Wollens begibt. Gerade bei den neueren Arbeiten, die sie hier sehen, spüre ich diese Problematik am deutlichsten abgehandelt, weil Helga Schager eine Entwicklung zur Abstraktion vollzieht, die jedoch augenscheinlich nicht mit einer in Richtung Formalismus einhergeht. Die Auseinandersetzung mit dem selben Themenkreis, wie vor Jahren bleibt spürbar, obwohl sie sowohl von mimetischen Ausformungen, wie auch von klarer Symbolisierung Abstand nimmt.

Die französische Psychoanalytikerin und Kulturtheoretikerin Hèlèn Cixous beschreibt den männlichen Weg von der Mimese zur Abstraktion als einen, der sich ins Symbol flüchtet. Die weibliche versucht sich ihrer Auffassung nach dem zu nähern, was vom Symbolischen abgetrennt wurde. Gerade diese Haltung glaube ich in Helga Schagers Arbeiten erkennen zu können.

Was das Sprechen über das Leben – das Sein in seiner geschlechtlichen Differenz, wie es Helga Schager thematisiert, so problematisch macht, leitet sich wesentlich davon ab, dass man sofort in Fragen gefangen ist, die üblicherweise lauten:
„Was ist das? – Wo ist das? – Wodurch drückt sich das aus?“

Die Macht der Wirkung eines „Bedeuten-Sollens“, von „Dies soll das heißen“, die immer die Bildung von Sinn verlangt – zerstört im Reden, im Akt der Symbolisierung schon – jeweils eine Seite jedes Begriffpaares zugunsten der anderen. Die Antwort kann also nicht darin gefunden werden, dass das „Außen“ ins Innere zurückgeholt wird. Die Problematik liegt vielmehr in der Trennung von Außen und Innen, von Symbol und Imagination.

Wenn Kunst „die Welt noch einmal ist“, „dieser, so gleich wie ungleich – wie Adorno feststellte – dann muss sie sich heute, in einer Zeit, in der unser Leben in kleine, von einander abgeschlossene Stücke segmentiert und zerrissen wird, beinahe zwangsläufig auch mit Fragmentierung beschäftigen. In Helga Schagers Computertableaus wird dies gleichermaßen deutlich, wie in ihren Textilarbeiten. Die Arbeit am Computer ermöglicht ihr Bildüberlagerungen, die stärker an modernes Sampling erinnern als an traditionelle Collagetechniken, nicht zuletzt deshalb, weil die Oberflächenstrukturen keine Hierarchie zeigt.

Textfragmente, an lineare Raster gemahnende Ausschnitte, archetypische Situationen und Gebilde werden zu persönlichen, jedoch gleichermaßen allgemein empfindbaren Sets gestaltet. So wird Einheit und Zersplittertheit spürbar.

Die Ergebnisse zeigen, dass von ihrer Tradition her, so unterschiedlichen Medien wie Computer und Webstuhl, fruchtbar zusammengeführt werden können und für beide neue Entwicklungen absehbar werden. Die beiden Pole: kreative Spontaneität und kontemplatives Schaffen erscheinen in dieser Arbeit nicht – wie so oft – als antagonistisches Widerspruchspaar, sondern ermöglichen erst gemeinsam das hier gezeigte Produkt.

Der Titel dieser Werkschau „Parallel“ verweist neben den angesprochenen Interpretationsfeldern ganz wesentlich auf eine gleichzeitig stattfindende Gruppenausstellung in New York, an der Helga Schager und Astrid Esslinger als Oberösterreicherinnen vertreten sind.

Für detaillierte Auskünfte zu einzelnen Arbeiten möchte ich sie an die Künstlerin verweisen, die sicherlich gerne bereit ist, mit Ihnen über ihre Arbeiten zu sprechen.

Ich danke für ihre Aufmerksamkeit.


Vernissagenkuchen
OÖN vom 06.05.1996

Helga Schager derzeit in Linz und New York

Computergrafiken und textile Arbeiten zeigt die Aschacher Künstlerin Helga Schager bis 10. Mai in der Galerie der Berufsvereinigung in Linz. Faszinierend erzählerische Reflexionen ihres Alltags.
Eine Frau pirscht durch den Blätterwald. Sie ist auf der Jagd nach Bildern, nach Strukturen. Die Jägerin erlegt ihr Wild mit dem Scanner, saugt es hinein in ihren Computer, wo es aus seinem ursprünglichen Zusammenhang gerissen und weiterbearbeitet wird. Überlagert wird von anderen Bildern, Konturen, Farben, Schriftzeichen.
Das Ergebnis der ungewöhnlichen Rezeptur sind faszinierende „Weibsbilder“ – Reflexionen der in Aschach geborenen, in Urfahr lebenden Textilkünstlerin Helga Schager, die noch bis 10. Mai in der Galerie der Berufsvereinigung in Linz ausstellt. „Ich liebe den Computer, das unbegrenzte Spiel mit Möglichkeiten, mit dem Zufall. Man kann im Gegensatz zur Weberei sehr schnell reagieren.“ Neben den vielschichtigen Grafiken – teilweise im Acryl-Print auf Leinen übertragen, findet hier jedoch auch Gewebtes seinen Platz.
Ein Naheverhältnis zum Computer besteht sicher auch außerhalb des bei beiden augenfälligen Rasteraufbaus. Schließlich wurden die alten Jacquard-Webstühle dereinst von den ersten Lochkarten gesteuert.
Die Inhalte definiert die Künstlerin, die derzeit übrigens auch gemeinsam mit der Linzerin Astrid Esslinger und Yoko Ono (u. a.) in New York bei der Schau „Women Draw“ präsent ist, aus ihrem Frau-Sein: „Wenn man schon so lange Zeit dem Eisprung unterworfen ist, muss man das auch verarbeiten.“

Schager hat für ihre kuriosen Bildgeschichten ihre ureigenste Sprache entwickelt. Ein Vokabular, dessen Faszinosum man sich gerne aussetzt. Preise: 9000 bis 44.000 Schilling. Irene Judmayer